In allen Schulen wächst die Unterschiedlichkeit der Lerngruppen. 

Da die Kinder individuelle Lernvoraussetzungen mitbringen, ist es Aufgabe der Schule, die Kinder dort abzuholen, wo sie stehen. Das bedeutet, dass die Schule den Unterricht öffnen muss, sich also strukturiertem, engere Formen des Lernens und freie, weniger strukturierte Formen abwechseln und sinnvoll ergänzen sollen. 

Die freien und weniger strukturierten Formen des Lernens nennen wir "Offenen Unterricht". Ein paar dieser Lernsituationen im Offenen Unterricht möchten wir hier kurz vorstellen. 


"Hilf mir, es selbst zu tun" - Freiarbeit nach Maria Montessori in der Regelschule

Die Ärztin und Pädagogin Maria Montessori hat schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Bedeutung der freien Wahl der Arbeit für das intellektuelle Reifen des Kindes erkannt. Sie entwickelte Sinnes- und Arbeitsmaterialien für Kinderhaus und Schule, die sich die Kinder zu bestimmten Arbeitszeiten frei auswählen konnten. 

Auch heute entscheidet sich der Schüler/die Schülerin für ein Material bzw. ein Thema, das bearbeitet werden soll. Ebenso überlegt das Kind, ob es diese Aufgabe allein, mit einem Partner oder in der Gruppe lösen möchte. Es bestimmt sein individuelles Arbeitstempo, eine Anforderung, die sich mit dem 45-Minuten-Takt einer Unterrichtsstunde nur schwer vereinbaren lässt. 

Freiarbeit fördert selbstständiges Arbeiten, orientiert sich an den Interessen der Kinder und macht die Kinder unabhängiger von der Lehrkraft, die ihre Rolle eher im begleiteten Beobachten sieht. 

Freiarbeitsmaterialien sind z.B. Lernspiele, Bücher, Montessori-Materialien. Deren Gebrauch muss für die Kinder eingeführt werden. Sie sollen einen festen Platz in der Lernumgebung haben. Auch hier gilt einer der Grundgedanken Montessoris: "Äußere Ordnung schafft innere Ordnung". 

Wer einmal erleben durfte, wie sich Schüler im ersten Schuljahr das 1x1 mit Hilfe der mathematischen Materialien selber beibringen konnten oder schwierige Fachtermini wie Kubus und Pyramide "spielend" erfahren haben, ist vom Sinn der Freien Arbeit überzeugt. 


"Freiarbeit ist die Unabhängigkeit, die durch eigene Anstrengung erreicht wird" - Der Wochenplan

Der Wochenplan wird von den Kindern mit Spannung erwartet. Er bestimmt das Thema für die nächste Zeit und wird thematisch im Morgenkreis am Montagmorgen eingeführt. Er besteht aus Pflicht- und Zusatzaufgaben, die die Schüler innerhalb eines festgelegten Zeitraumes bearbeiten müssen. Es gibt individuelle Absprachen mit Kindern, die mehr Zeit brauchen, aber auch Zusatzangebote für schnellere Lerner. 

Der Wochenplan wird mit allen Aufgaben vorgestellt, die einzelnen Aufgaben verteilt und es gibt feste Zeiten, ihn zu bearbeiten. In der Regel gilt: "Lerne täglich 15 Minuten zu Hause und du kannst alle Aufgaben bewältigen." 

Freie Lernformen gehen mit einer gewissen Arbeitsunruhe einher. Das ist für die Lehrerin bisweilen belastend, wird aber durch die Selbstständigkeit und Wachheit der Schüler entschädigt. 

Freiwilliges Lernen bringt Erfolge, unsere uns anvertrauten Menschenkinder brauchen Mut, Klugheit und Lebensfreude! 


"Lernen ist an konkrete Gegenstände, Situationen gebunden und zweckgerichtet" - Lernen an Stationen / Lerntheke

Beim Lernen an Stationen und bei der Arbeit an der Lerntheke wählt die Lehrerin zu einem bestimmten Thema Aufgaben und Medien aus und stellt daraus Lernangebote zusammen. Diese Lernangebote werden an verschiedenen Stationen z.B. am Fensterbrett, an Gruppentischen, in den Ecken oder an einer Lerntheke präsentiert. Die Schüler können aus den Angeboten frei wählen. Sie bestimmen die Reihenfolge der Aufgaben, die Zeit, die sie für die einzelnen Aufgaben benötigen und die Sozialform. Sozialform bedeutet, sie entscheiden, ob sie eine Aufgabe alleine oder in Partnerarbeit mit einem Mitschüler lösen möchten. Bei einigen Aufgabenstellungen geht die Wahl der Sozialform auch noch darüber hinaus und die Schüler entscheiden sich für den Ort, wo sie diese Aufgabe bearbeiten möchten. 

Die Aufgaben und Materialien kreisen meist um ein bestimmtes Thema und können in Pflicht- und Wahlaufgaben gegliedert sein. Durch die verpflichtend zu erledigenden Aufgaben soll sichergestellt werden, dass alle Schüler die gleiche Basiserfahrung sammeln können, wenn auch nicht zur gleichen Zeit. Eine Kombination aus offenen und engeren Aufgabenstellungen ist sinnvoll, um dem unterschiedlich ausgeprägten Selbststeuerungsprozess und den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen gerecht zu werden. 

Offener Unterricht ist keine neue Methode in der Schule und keine didaktische Modeweile, sondern vielmehr ein pädagogisches Verständnis und eine pädagogische Haltung gegenüber den Schülern. Lernen ist ein aktiver Vorgang und abhängig von der inneren Einstellung des Kindes zum Lerngegenstand. 

Angelika Teenck-Köppen 

"Du kannst ein Pferd zur Tränke führen, du kannst es aber nicht trinken machen." (Volksweisheit)